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Nürnberger Anzeiger 16.07.2003

Nürnberger Nachrichten - Nürnberger Anzeiger - 07/2003


 

Galeriestreifzug
 
Galeriestreifzug. Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Anzeiger, 16.07.2003

Dem Mann vom ersten Foto der Doku-Schau "Neue Nachbarn in Nürnberg" im Gemeinschaftshaus Langwasser könnte der Besucher im Moment leibhaftig begegnet sein. Er heißt Alekper Süleymanov, stammt aus Aserbeidschan, ist Ingenieur der Ökonomie, fuhr lange als Logistiker zur See und lebt seit drei Jahren in Nürnberg - als Hausmeister im Gemeinschaftshaus. Einer von vielen neuen Nachbarn, die aus Russland stammen.

Einer beträchtlichen Reihe von ihnen haben sich Fotograf Herbert Voll und Journalist Vladislaw Bessubov angenommen und portraitieren sie in Bild und Text. Leider bleibt beides oft oberflächlich. So erfährt man auch nicht wirklich, warum Familie Süleymanov 2000 von Baku nach Langwasser kam.

Einblicke in die Befindlichkeit der neuen Nachbarn? Fehlanzeige. Da muss man schon zwischen den Zeilen lesen. Und die Spannung spüren zwischen den aktuellen Nürnberger Schnappschüssen und den alten Bildern aus den noch-russischen Familienalben.

Doch der Ausstellung geht es auch nicht um künstlerische Auseinandersetzung, sondern um eine einfache Botschaft: Die "Neuen Nachbarn" sind ganz normale Menschen, keine Fremdkörper. Sie alle sind ernstzunehmende Individuen mit interessanten und mindestens an einer Stelle gebrochenen Biografien. So wie auch Sergej, der Bergmann aus Kasachsatn, jetzt Lagerarbeiter bei Daimler-Chrysler, oder Irina aus St. Petersburg, die Kinderärztin, jetzt Krankenschwester. Oder der Ballet-Trainer, die Deutsch-Lehrerin, die junge Frau, die von einer Superstar-Karriere träumt. Alle angekommen in Nürnberg - mit ihren Talenten, Schwierigkeiten, Sehnsüchten. Hingehen, und danach die "Neuen Nachbarn" mit anderen Augen sehen! (Bis 25. Juli, wochentags von 8 bis 20 Uhr)

Wenn schon die Russen kennenlernen, dann richtig! Künstlerisch anspruchsvoller, thematisch voll passend, die Fotos von Gerd Dollhopf im Kulturladen Zeltnerschloss. Unter dem Titel "Allah Bersah - ...gebe es Gott" zeigt der Nürnberger Fotograf großformatige Aufnahmen der Bewohner des kleinen Tataren-Dorfes Novo Ichsanovo, irgendwo auf der Westseite des Ural. Dort gibt es kein fließend Wasser, kein Telefon, keine asphaltierten Straßen, kaum Geldverkehr.

Und all das ist in Dollhopfs Bildern enthalten. Nicht direkt freilich, das ganze Leben der Menschen von Novo Ichsanovo spiegelt sich vielmehr in ihren Gesichtern, Händen, ist an den groben Balken ihrer Hüttenwände abzulesen und an der Haltung, in der sie für den Fotografen posieren - mitten in der guten Stube. Strumpfsockig oder barfuß fast alle, in billig-bunt bedruckten Kleidern, passend zu den billig-bunten Mustern auf Decken und Vorhängen. Aus jeder Mauer-Fuge, aus jedem Augen-Blick quillen hier förmlich die Geschichten, stellen sich lebendige Assoziationen ein. Berauschend intensiv sind sie - und durchweg wunderschön, die farbbunten, lakonisch gestellten Bilder, die Dollhopf während drei Sommern gesammelt hat. Hingehen und erleben, wie gut sich Dokumentation und Ästhetik verbinden lassen. (Bis 25. Juli, Kontakt 47 29 45)

Farbig bleibt es bei Hella Eckert im Pele Mele. Ansonsten Kontrastprogramm nach zwei Mal Russen-Fotos: Abstrakte Acryl-Malerei mit atmosphärischen Landschafts-Anklängen, amoebenartigen Monster-Gakeln oder mystischem Tiefsee-Blau. Inspiriert sicher vom Studium der Wandmalerei eines Stammes in Nigeria, verfeinert durch Malerei-Studien in Florenz. Soviel Weltbürgertum äußert sich im unbeschwerten Umgang mit Pinsel und Farbe. Das Ergebnis: stimmungsvolle und stimmige Kompositionen - ein harmonischer, wenn auch harmloser Abschluss des Galerie-Streifzugs. Und jetzt ein kühles Bier am Pegnitzufer im Pele-Garten. (Bis Ende August, täglich 16 bis 1 Uhr)

Hans Schödel


 
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