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natur & kosmos 10/00

Natur & Kosmos - 10/2000


 

Auf die Beratung kommt es an
 
Die Deutschen lieben das Heimtier. Jeder dritte Haushalt leistet sich Hund, Katze und Co. Dieser Bedarf will gedeckt werden. Kein Wunder, dass es auf dem Heimtiermarkt nicht nur kuschelig zu geht.

Max will einen Goldhamster, und zwar schon lange. Heute soll er ihn endlich bekommen. Aufgeregt steht der Sechsjährige neben seinem Vater im Zoogeschäft. "Einen Goldhamster also?" fragt die Verkäuferin. Eine halbe Stunde später verlassen Max und sein Vater den Laden - mit zwei Meerschweinchen.
Eine Geschichte, fast ganz nach dem Geschmack der Tierschützer vom Deutschen Tierschutzbund (DTB). Die sähen Goldhamster am liebsten ganz aus dem Zoohandel verbannt. Denn das Lieblingstier der Kleinen "ist für Kinder denkbar ungeeignet", erklärt DTB-Sprecher Thomas Schröder: "Goldhamster sind nachtaktiv - wenn Kinder mit ihnen spielen wollen, brauchen sie ihren Schlaf. Außerdem sind sie überaus empfindlich und als Einzelgänger gar nicht scharf auf Gesellschaft." Und: Goldhamster haben eine geringe Lebenserwartung - zusätzliche Belastung für ein Kind. Fazit: Lieber Meerschweinchen kaufen. Und davon am besten gleich zwei, dann langweilen sich die Gruppentiere im Käfig nicht.
Hamster oder Meerschweinchen - eine Sorge braucht Max ganz sicher nicht zu haben: Dass sein Kauf die natürlichen Vorkommen der Tiere belastet. Beide Heimtiere kommen ausschließlich aus Nachzuchten auf den Markt - die gehandelten Goldhamster gar sollen alle von einem einzigen Wurf abstammen, der 1930 in Nord-Syrien ausgegraben wurde. Heimtier-Großhändler wie Dieter Asmus aus Niederkrüchten nahe der niderländischen Grenze versorgen den deutschen Zoohandel mit Nager-Nachschub. Asmus züchtet ausschließlich selber, da muss er nicht "anderer Leute Risiken" übernehmen, sagt er. Denn die großen deutschen Züchter, bei denen der Großhandel meist einkauft, mutmaßt Asmus, können den immensen Bedarf des Marktes gar nicht aus eigener Kraft decken. Die Folge: Zukäufe von "weiß der Henker woher". Aus Tschechien zum Beispiel, wo die Kontrollen weniger streng, dafür die Tiere mit dem Risiko von Krankheiten behaftet sind. Auch wenn Asmus seinen Verdacht der Zukäufe nicht beweisen kann und die deutschen Züchter strengen Kontrollen unterliegen - wer sicher gehen will, dass sein Hamster nicht aus Massenproduktion stammt, der sollte im Zoogeschäft nach kleinen, regionalen Züchtern fragen. Ein Tipp, der für alle Heimtiere gilt.
Asmus' Meerschweinchen-Zucht mit 100 Weibchen und "ein bis drei Böckchen", die er im Sommer im Freiland hält, ist vergleichsweise klein. Ein großer Züchter hält locker 800 bis 1.000 Weibchen - jedes davon wirft im Schnitt drei Mal im Jahr fünf Junge: Macht 15.000 Meerschweinchen für Leute wie Max und seinen Vater. Und von denen gibt es immer mehr. "Nager liegen absolut im Trend", weiß Asmus - "Tendenz steigend." Der Großhändler schätzt grob 600.000 Goldhamster, fast ebenso viele Hausratten in allen Farbvarianten (die vor allem bei Jugendlichen immer beliebter werden), dazu 250.000 Meerschweinchen und 300.000 Zwerghasen, die pro Jahr über die Theke gehen.
Doch der Markt für Heimtiere wird immer härter, die Branche beklagt sinkende Verkaufspreise und einen Verdrängungswettbewerb. Zunehmend werden kleine Fachgeschäfte Opfer großer Ketten oder der Zoo-Abteilungen von Kaufhäusern und Garten-Centern. Oft genug sind es dort Hilfskräfte ohne das nötige Fachwissen, die ihren Kunden Tiere verkaufen - vom empfindlichen Zierfisch bis zum anspruchsvollen Gecko oder dem teuren Papagei. Der vom Tierschutzgesetz geforderte Fachkunde-Nachweis für Tier-Verkäufer - nur ein Papiertiger?
Mit ungenügender Beratung außerhalb spezialisierter Fachgeschäfte hat auch der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) ein Problem. Mit Selbstbeschränkungen bei Tierarten ("keine Riesenschlangen über 2,50 m") und verordnetem Tierschutz ("nur Tierschutz-gerechtes Zubehör") ist der Verband um Image-Pflege für die Branche bemüht. Schade nur, dass der Organisation mit Sitz im hessischen Langen lediglich ein knappes Drittel der rund 3.000 deutschen Zoohandlungen angeschlossen ist. Der Rest ist mit hehren Forderungen schon schwerer zu erreichen und ein Teil entzieht sich den Standards ganz bewusst. ZZF-Präsident Klaus Oechsner (siehe Interview) glaubt dennoch, auch nicht organisierte Händler positiv zu beeinflussen. Selbst die großen Gartencenter ("Viele sind Mitglied bei uns!") will er nicht pauschal "schlechter machen, als sie sind."
Viel schlimmer: Der völlig unkontrollierte Handel über Kleinanzeigen, Internet - und vor allem die berüchtigten Tierbörsen, auf denen in angemieteten Hallen oder im Freien "Privatleute" in Flohmarktatmosphäre Tiere tauschen und verkaufen - ein Tummelplatz allzu oft für zwielichtige Geschäftemacher. Wo die ihre Tiere her haben könnten, zeigt ein Blick in die Statistik des deutschen Zollkriminalamtes von 1999. Bei einer Kontrolle auf dem Frankfurter Flughafen entdeckten die Fahnder 500 lebende Königspythons, ein anderes Mal 1.300 Vogelspinnen. Aufgriffe geschützter Singvögel an der Deutsch-Polnischen Grenze kommen hinzu, die Dunkelziffer ist beträchtlich. Bei Vögeln und Reptilien nehmen die halbseidenen Börsen, auf denen die Giftschlange ohne langes Fackeln in der Tupper-Dose über den Tapetentisch geht, den niedergelassenen Fachhändlern laut Oechsner 50 Prozent des Umsatzes weg. "Nach einer Reptilienbörse verkaufen wir wochenlang kein Reptil mehr. Dafür kommen die Leute in den Laden und wollen wissen, was Sie sich da eigentlich zugelegt haben", klagt Oechsner.
Der offizielle Heimtiermarkt ist auf den ersten Blick nicht gerade riesig: 330 Millionen Mark wurden 1999 mit lebenden Tieren verdient, hat der ZZF errechnet. Doch diese Zahl ist nur die Spitze eines Milliardenmarktes. Denn wer erst einmal ein Heimtier hat, braucht Futter, Ausstattung und Medikamente. 5,4 Milliarden Mark haben die Deutschen letztes Jahr in Fertignahrung und Zubehör für ihre Lieblinge investiert. Das Geschäft machen vor allem Discounter und Drogeriemärkte. Alleine mit Katzenstreu wurden 288 Millionen Mark umgesetzt. Über 360 Millionen Mark haben die Hersteller von Tierarzneimitteln an den Hobby-Tierhaltern verdient, die 10.000 deutschen Tierärzte leben zu einem beträchtlichen Teil von den Heimtier-Freunden.
In jedem dritten deutschen Wohnzimmer bellen, miauen, quieken oder piepen Heimtiere, oder es blubbert das Aquarium. Alleine Zierfische tummeln sich in Deutschland mehr als Menschen: Knapp 85 Millionen! Keine andere Tiergruppe trägt so stark zum Umsatz der Heimtierbranche bei: 159 Millionen Mark verdienten die Händler 1999 mit Zierfischen, das ist fast die Hälfte des gesamten Umsatzes. Die Begründung scheint nahezuliegen: Fische sind schön bunt, die billigsten kosten nur ein paar Mark, sie fressen kaum, machen weder Lärm noch Dreck und der Platzanspruch für ein Aquarium (das Bastelfreunde zusätzlich begeistert) kann auf den Zentimeter genau ausgerechnet werden. Doch der riesen Reibach, der mit Zierfischen gemacht wird, rührt auch aus der Tatsache, dass der gesamte Fischbestand in deutschen Aquarien im Schnitt vier Mal im Jahr komplett erneuert wird: Die Fische leben nicht lange. Das geht aus einer tierärztlichen Studie hervor, die Sandra Altherr von der Artenschutz-Organisation Pro Wildlife zitiert.
Ausgerechnet an den stillen Fischchen zeigt sich exemplarisch, warum der Heimtierhandel Tier- und Artenschützer gleichermaßen regelmäßig auf die Palme bringt. Zur oft mangelnden Beratung mit der Folge, dass die Fische unter falschen Bedingungen in ungenügend ausgestatteten Hobby-Aquarien landen (und oft viel zu früh verenden), kommt ein zweites Problem. Denn der Nachschub stammt nach wie vor auch aus Fängen in freier Natur. Den Anteil der "Natur-Entnahmen" vermag niemend so recht zu nennen, ZZF-Schätzungen sprechen von fünf bis 20 Prozent. Wie auch immer: Die Folgen der Wildfänge für eine Population lassen sich nur schwer einschätzen. Doch während Tierhändler Klaus Oechsner sich nicht vorstellen kann, dass der kontrollierte Handel nennenswerte negative Auswirkungen auf Fischbestände hat, mahnt Artenschützerin Altherr das "Vorsorgeprinzip" an: Erst wenn bewiesen ist, dass der Handel dem Bestand einer Art nicht schadet, sollte er freigegeben werden.
Eine solche Beschränkung träfe dann letztendlich Familienbetriebe, etwa im südamerikanischen Amazonas-Gebiet. Kleine Fischer, die sich auf Zierfische spezialisiert haben und die großen Vermarkter vor Ort beliefern, wie Fisch-Fachmann Dieter Asmus schildert. Doch der ZZF-Referent für Heimtier-Großhandel weiß auch, dass die überwiegende Zahl der Zierfische ohnehin gezüchtet wird: "In Südostasien gibt es Fisch-Farmen, die im Monat 40.000 Kampffische exportieren - so einen Bedarf kann beim besten Willen niemand aus der Natur decken." In Malaysia etwa, in Singapur oder Thailand stehen die großen Zuchtstationen, wo in Teichanlagen, vor allem aber in endlosen Reihen von Aquarien all die Goldfische und Guppys produziert werden, die im Plastikbeutel per Flugzeug nach Deutschland kommen, wo sie bei über einer Million Aquarianern landen - in 3,1 Millionen Aquarien.
Doch die wahren Lieblinge der Heimtierhalter heißen Hund und Katze. 5,2 Millionen Hunde leben nach Angaben des Industrieverbandes Heimtierbedarf (IVH) in 14 % der deutschen Haushalte. Ebenso viele Haushalte leisten sich eine Katze - 6,5 Millionen Miezen miauen in Deutschland um die Wette. Die Rassen sind unüberschaubar, aber es gibt klare Favoriten. Für Hunde liefert die "Welpenstatistik" des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH) Hinweise auf Rasse-Trends. Die VDH-Liste weist für 1999 die Geburt von über 200 verschiedenen Rassehunden aus. Einsam an der Spitze seit je: Der Deutsche Schäferhund, wenn auch mit sinkender Beliebtheit. Knapp 24.000 Welpen hat der VDH im vergangenen Jahr registriert - 7.000 weniger, als noch drei Jahre zuvor. Auf Platz zwei, weit abgeschlagen mit 10.000 Welpen, sitzt der Teckel, vulgo Dackel. Zwanzig weitere Rassen (darunter Pudel: 2.575 und Golden Retriever: 1.836 Welpen) schaffen noch den Sprung über die Tausender-Marke. Zusammengerechnet 84 Millionen Mark haben sich die Deutschen 1999 ihre Hunde kosten lassen.
Zu den Vierbeinern gesellen sich laut IVH-Statistik fünf Millionen Ziervögel und 4,6 Mio. "Kleintiere": Meerschweinchen, Hamster, Ratten, Reptilien und alle anderen.
Der Heimtiermarkt - ein Geschäft mit Emotionen, mit dem Bedürfnis nach unkomplizierten Freundschaften, gelebter Tierliebe, oder dem exotischen Kick. Und wo Geld lockt, da werden andere Faktoren schon mal zweitrangig. Um diesen Verdacht bestätigt zu finden, muss man nicht unbedingt die Reptilienbörsen mit ihren spektakulären Missständen beim Verkauf exotischer Mini-Monster besuchen, auch im Handel mit Hunden gibt es genug Beispiele. Von Tierschützern immer wieder gerne genannt: der Golden Retriever. Seit ein paar Jahren ist der Hund - ausgelöst durch zahlreiche Auftritte in der Werbung - bei uns schwer in Mode, dubiose Züchter haben längst Profit gewittert. Die Tierärztin Dr. Heike Pankatz, Heimtier-Expertin beim Deutschen Tierschutzbund, berichtet von "regelrechten Zuchtanstalten vor allem in Osteuropa"; von Welpen, die in engen Zwingern in keiner Weise artgerecht aufgezogen werden und von Eltern abstammen, die züchterischen Maßstäben kaum genügen. Mangelhaft medizinisch betreut und oft viel zu früh von der Mutter getrennt, gelangen die Welpen auch nach Deutschland. Angeboten werden sie über das Internet, in Kleinanzeigen, wohl auch bei großen Hundehändlern. Die vergleichsweise niedrigen Preise sind verlockend, der Tierschutz bleibt auf der Strecke. Und: Durch die wahllose "Welpen-Produktion" sei beim Golden Retriever bereits eine Zuchtlinie von Tieren entstanden, die durch plötzliche Aggressivität und unvermitteltes Beißen auffallen, berichtet Pankatz.
Diese Störung hat auch der Verhaltensbiologe und Buchautor ("Der Hund") Erik Zimen bei Golden Retrievern schon beobachtet. Er führt die Verhaltens-Anomalie allerdings nicht nur auf mögliche genetische Defekte zurück: "Viele dieser Hunde, die ja eigentlich als Arbeitshunde zum Apportieren gezüchtet wurden, verkommen bei ihren Haltern ganz einfach vor Langeweile", sagt Zimen. In vielen Familien habe der Hund zu wenig Beschäftigung, zu geringen Auslauf, "er wird völlig unterfordert." Beiß-Anfälle aus purer Langeweile - für den Hundeforscher nur eines von vielen Symptomen des zentralen Problems: Die Menschen kauften sich einfach die falschen Hunde; Rassen, die auf Familienfreundlichkeit hin gezüchtet würden, wie der neue "Elo", seien rar.
Hunde werden nach Aussehen gekauft und als Statussymbol - die heiß diskutierten Kampfhunde sind lediglich ein extremes Beispiel für einen weithin gültigen Mechanismus. Doch wer böse Überraschungen vermeiden will, sollte sich vor dem Kauf eines Hundes genau über sein Verhalten informieren, rät Zimen: "Achten Sie auf das künftige Zusammenleben mit dem Tier, nicht auf äußere Merkmale!" "Auf den Charakter kommt es an", mahnen auch die Züchter vom VDH, "an Äußerlichkeiten kann man sich gewöhnen."
Wer sich für eine passende Rasse entschieden hat und seinen Hund aus zuverlässiger Quelle beziehen möchte, sollte am besten direkt beim Züchter kaufen, rät Heike Pankatz vom DTB und empfiehlt eine sorgfältige Auswahl: "Je familiärer es bei einem Züchter zugeht und je kritischer er Sie als zukünftige Halter seiner Hunde prüft, desto mehr können Sie ihm vertrauen." Vor dem Gang zum Züchter sollte man aber auf jeden Fall mal im Tierheim vorbeischauen, findet Heike Pankatz.
Genug Auswahl gibt es dort: Denn dass trotz aller Appelle beim Hundekauf oft Modetrends wichtiger sind, als reifliche Überlegung, das spüren die Tierheime regelmäßig. Nach dem Kino-Erfolg "101 Dalmatiner" dauerte es nicht lange, da stieg die Zahl schwarz-weiß gescheckter Hunde-Waisen merklich an, berichtet Thomas Schröder vom Tierschutzbund und konstatiert trocken: "Unsere Tierheime sind die Endstation des fehlgeleiteten Verkaufs von Tieren."
Und Hunde sind nur ein Teil der Problematik. "In vielen Geschäften wird einfach nicht richtig beraten!" Auch Harald Martens vom Bundesamt für Naturschutz hat schon mehrfach diese Erfahrung gemacht. Beispiel Schmuckschildkröten, die zu Tausenden als Fünfmarkstück-große Jungtiere aus Zuchten in den USA importiert werden: Kunden werden nicht darüber informiert, dass die kleinen Tierchen an Größe bald beträchtlich zunehmen. Oft wird sogar fälschlicherweise behauptet, die Tiere eigneten sich für das Überwintern im Gartenteich. Bei den zunehmend beliebter werdenden Reptilien ist das Problem besonders groß. Nach Martens' Einschätzung sind die Einzelhändler oft schlicht selbst überfordert mit dem neuen Angebot an Echsen, Geckos und Schlangen: "Die Verkäufer haben oft einfach zu wenig Ahnung - eine Katastrophe!" Der Branchen-Verband ZZF versucht mit Schulungen entgegen zu wirken.
Die Folge spontanen Reptilien-Kaufs beim Gartenmarkt um die Ecke oder auf einer der vielen Börsen ist allzu oft eine völlig ungenügende Haltung der Terrarien-Tiere. Doch mehr noch als dieser tierschützerische Aspekt treibt Martens die Tatsache um, dass die überwiegende Zahl der gehandelten Reptilien aus Wildfängen stammt. Das gibt auch ZZF-Präsident Oechsner zu. Obwohl der Verband pauschal zu Nachzuchten rät, weiß auch Oechsner: Reptilien-Nachzuchten sind teurer, oft lohnen sie sich kaum gegenüber billig angebotenen Wildfängen. Eine kurzsichtige Kalkulation, findet Harald Martens: Nachzucht sei längerfristig doch ganz im Sinne von Händlern und Käufern, denn Tiere, die im Käfig geboren wurden, sind besser an das Leben in Gefangenschaft angepasst und haben weniger Krankheiten.
Immerhin hat Martens denn auch ein paar erfreuliche Nachrichten: Gerade bei etablierten Reptilien-Arten gebe es beachtliche Nachzucht-Erfolge. Zum Beispiel bei den geschützten Griechischen Landschildkröten: Die offiziell gehandelten Exemplare stammen mittlerweile ausschließlich aus deutschen Nachzuchten. Doch Martens schränkt gleich ein: "Der Schwarzmarkt ist eine ganz andere Sache." Aus dem 99er-Bericht des Zollkriminalamtes: "Beschlagnahme von 504 Vierzehenlandschildkröten (lebend) - Zollamt Frankfurt Flughafen."
Gerade beim Handel mit exotischen Kriechtieren gibt es buchstäblich mafiöse Strukturen. Martens' Behörde, verantwortlich für die Überwachung des Washingtoner Artenschutzabkommens, hat Indizien für regelrechte "Weißwäsche" illegal gehandelter Tiere. Da werden beispielsweise unter Exportverbot stehende Reptilien aus China zunächst in zentralasiatische Länder wie Usbekistan transportiert, die es mit den Kontrollen nicht so genau nehmen. Dort werden sie flugs mit falschen Papieren ausgestattet, etwa einfach zu Nachzuchten erklärt, und gelangen dann - vermeintlich legal - in die EU.
Ein Fachmann wird in solchen Fällen dennoch stutzig. So können die Ermittler der Naturschutzbehörde denn auch die illegale Einfuhr geschützter Tiere häufig von vornherein verhindern. Um derart vor illegalem Handel bewahrt zu werden, muss eine Tierart freilich erst einmal entdeckt, beschrieben und für schutzwürdig erklärt worden sein. Und genau hier sieht der Wissenschaftler Martens das eigentliche Problem: Die meisten Reptilien werden ganz legal importiert; Erkenntnisse, ob der Handel ihnen schadet, gibt es nicht, "man bedient sich einfach an Populationen, deren Größe man gar nicht kennt."
Und die Händler sind den Wissenschaftlern stets voraus. Das kann groteske Auswüchse annehmen: So wurde der seltene indonesische Quittenwaran von Zoologen auf einer Tierbörse in Europa entdeckt - nicht in seiner tropischen Heimat.
Das zentrale Anliegen des Artenschützers Martens ist deshalb eine möglichst intensive Untersuchung der natürlichen Lebensgemeinschaften. Nur so könne man zu einer nachhaltigen Nutzung der Ressourcen gelangen oder zu einem Wildtier-Management in Form sogenannter "Ranching"-Projekte, die ein Überleben der Tiere sichern und von denen auch die Menschen vor Ort profitieren sollen. "Den Markt einfach schließen zu wollen, ist nicht realistisch," bekennt Martens. Wo es keinen geregelten Handel gebe, da setze sofort der illegale ein.
Die Grauzone dazwischen ist groß: Birga Dexel vom Naturschutzbund NABU weiß, dass es in westafrikanischen Ländern wie Ghana etwa für Graupapageien die nötigen Export-Papiere "so Pi mal Daumen" gebe. "Die Einschränkung der Exportquoten durch das Washingtoner Artenschutzabkommen ist formell da, aber was dann tatsächlich hinausgeht, ist etwas ganz anderes." Gerade bei den seltenen, aber nach wie vor als Sprech-Künstler begehrten Graupapageien ist die Rate der Nachzuchten - zumindest im deutschen Fachhandel - allerdings erfreulicherweise stark gestiegen, konstatiert Dexel. Und Tierhändler Asmus glaubt ohnehin, dass der weltweite Markt für geschützte Vögel weit unter dem liegt, was die Quoten erlauben würden.
Bei den nach wie vor heiß geliebten Wellensittichen ist Wildfang seit langem gar kein Thema mehr. Längst werden die kleinen australischen Papageien, weltweit die beliebtesten Käfigvögel, im großen Maßstab gezüchtet - fernab von ihrer ursprünglichen Heimat. Deutsche Hobby-Züchter können den Bedarf (jährlich 600.000, schätzt Asmus) bei weitem nicht decken. Pakistan, einst wichtiges Exportland, spiele heute keine große Rolle mehr, sagt Dieter Asmus und nennt ein weiteres Mal Tschechien als Groß-Produzent von Heimtieren. Farmen mit 20.000 Zuchtpaaren gebe es dort - "Der Schlüssel bei Wellensittichen liegt bei zehn": Zehn Junge pro Jahr kann ein Paar hervorbringen. Alternative zum Tier aus Massenzucht für den Kunden auch hier: Im Geschäft nach einheimischen Zuchten fragen. Und auf einen "geschlossenen" Ring ohne Naht achten - laut Jörg Turk vom ZZF "ein ziemlich sicheres Kennzeichen für inländische Nachzuchten." Vielen Vogel-Fans ist das einerlei: Sie holen sich ihr Tier selbst über die Grenze, vorbei an staatlichen Kontrollen und der 30-Tage-Quarantäne - im Ausland ist es einfach billiger!
Doch auch der Schmuggel mit seltenen, wild gefangenen Großpapageien ist nicht totzukriegen. Wer nicht so viel Wert legt auf ordentliche Beringung und damit den Nachweis, dass sein Federvieh aus registrierter Zucht stammt; wer dafür etwas ganz Exotisches will, einen Papagei zum Protzen, der geht nicht ins Zoogeschäft an der Ecke. Er kennt Leute wie Pascal S., der im August 1999 den Zollfahndern am Frankfurter Flughafen ins Netzt ging: Er hatte vier seltene Palmkakadus bei sich. Geschätzter Wert pro Stück: 30 - 50.000 Mark!

 
"Ein Heimtiergesetz muss her!"
 
Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, lobt die Bemühungen der Zoofachgeschäfte für mehr Tierschutz, fordert aber zugleich schärfere Regeln.

 
natur & kosmos: Tut der Zoofachhandel genug für den Tierschutz?
Apel: Man kann nicht alle Zoogeschäfte über einen Kamm scheren. Der ZZF ruft seine Mitglieder immerhin zu tierschutzgerechtem Umgang und Handel mit den Tieren auf. Sicher ein begrüßenswerter Schritt, aber in der bisherigen Form unter Tierschutzaspekten noch nicht weitgehend genug. So fehlen Angaben, die konkret beschreiben, wie eine artgerechte Unterbringung der Tierarten im Einzelnen auszusehen hat.
Insgesamt sehe ich nach wie vor große Defizite, die zu Lasten der Tiere und des Tierschutzes gehen: Insbesondere was Haltung und Präsentation verschiedener Tierarten im Zoofachgeschäft angeht, Information der Käufer über tatsächliche Haltungsansprüche und nicht zuletzt das Angebot für Zubehörartikel.
natur & kosmos: Sind die gesetzlichen Bestimmungen zum Handel mit Tieren ausreichend?
Apel: Definitiv nein! Der nach dem Tierschutzgesetz geforderte Sachkundenachweis für den gewerblichen Handel mit Tieren zum Beispiel ist nicht tierartspezifisch. Das heißt, eine einmal erteilte Erlaubnis gilt für Meerschweinchen ebenso wie für Hundewelpen, exotische Fische oder gar Giftschlangen. Daher fordert der Deutsche Tierschutzbund bereits seit über 10 Jahren ein bundeseinheitliches Heimtiergesetz, in dem tierartspezifische Kriterien zur Haltung, Kennzeichnung und Registrierung, Ausbildung, vor allem aber zu Zucht und Handel mit Tieren verbindlich festgelegt werden.
natur & kosmos: Stellt der Handel mit exotischen Tieren eine Bedrohung für die Natur dar?
Apel: Ja! Ich denke, es ist vor allem der illegale Handel mit geschützten wildlebenden Arten, der nach wie vor blüht und bereits ganze Tierarten ausgerottet hat. Der Zoofachhandel ist dafür zwar nicht verantwortlich, allein: Mit dem "legalen" Angebot in den Zooläden wird die Nachfrage gefördert und das sorgt für eine Fortsetzung der Wildfänge. Ich meine ohnehin, dass exotische Tiere nicht in den Privathaushalt gehören, weil sie dort gar nicht artgerecht gehalten werden können.

 
"Wir legen strenge Maßstäbe an!"
 
Der Präsident des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe (ZZF), Klaus Oechsner, sieht das wahre Problem in den Tierbörsen.

 
natur & kosmos: Tut der Zoohandel genug für den Tierschutz?
Oechsner: Man kann nie genug tun! Aber wir legen bereits sehr strenge Maßstäbe an. Vor 10 Jahren haben wir zum Beispiel unsere "Heidelberger Beschlüsse" erlassen, in denen wir uns unter anderem verpflichten, keine Tiere zu verkaufen, die übermäßig groß werden, oder keine ausgemachten Nahrungsspezialisten. Tierschutzwidriges Zubehör haben wir aus unserem Sortiment entfernt. Wir nehmen uns für ein Verkausfsgespräch mehr Zeit, als jeder andere Händler. Für unsere Mitglieder führen wir ständig Schulungen durch. Und ich denke, dieses Engagement wirkt auch über unseren Mitgliederstamm von rund 30 Prozent der Zoogeschäfte hinaus.
Das wirkliche Übel sind die Tierbörsen! Da passiert all das, was wir nicht wollen.
natur & kosmos: Tierschützer kritisieren, dass viele Heimtiere nicht artgerecht gehalten werden.
Oechsner: Nach meiner eigenen Erfahrung als Zoofachhändler kaufen die Leute heute nicht mehr so spontan. Und wir nehmen die Beratung ernst, sind auch nach dem Kauf noch für unsere Kunden da. Außerdem achten wir auch darauf, wem wir welches Tier verkaufen; im Zweifelsfall raten wir vom Kauf auch mal ab. Natürlich ist es frustrierend, wenn der Kunde dann einfach wo anders hingeht!
natur & kosmos: Ist der Verkauf von Tieren aus Wildfang verantwortlich?
Oechsner: Wir geben unseren Mitgliedern ohnehin den Rat, ausschließlich Nachzuchten zu verkaufen. Dennoch gibt es etwa bei Reptilien leider noch viele Wildfänge - auch von Arten, die sich für den Handel eigentlich gar nicht eignen. Es gibt zwar auch für Reptilien gute Nachzucht-Möglichkeiten, nur sind die Nachzuchten eben teurer.
Bei Fischen haben wir eine Wildfang-Rate von 20 Prozent, aber ich glaube nicht, dass der kontrollierte Handel negative Auswirkungen auf die Populationen hat. Vergleichen Sie das mal mit der Umweltbelastung der Tropen durch Rodung oder Goldwäscher!


 
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